Prof. Dr. Viktor Scheiber
Die Nachricht vom Ableben Viktor Scheibers war für mich unfassbar. Einige Tage davor hatte ich noch mit ihm telefoniert. Es gab keinerlei Anzeichen für seinen plötzlichen Tod. Nicht einmal zwei Monate waren seit der Diagnose seiner schweren Erkrankung vergangen.
Viktor Scheiber wurde am 5. Mai in Neudörfl, Burgenland als erstes Kind von Maria Scheiber und dem Drogisten Alois Scheiber geboren. Nach der Volksschule in Wiener Neustadt besuchte er ebendort die Bundesrealschule und legte 1952 die Reifeprüfung ab. Seine mathematische Begabung zeigte sich bereits während seiner Schulzeit. Mit dem Studium der Mathematik und Physik begann er im Wintersemester 1952 an der Universität Wien, verfasste eine Dissertation bei Prof. Dr. Nikolaus Hofreiter zum Thema “Über einseitige Approximationen von indefiniten quadratischen Formen” und promovierte 1958.
Seine berufliche Laufbahn begann schon während des Studiums. Zunächst arbeitete er als Bibliothekar an der Technischen Hochschule Wien (heute Technische Universität), um die finanziellen Mittel für sein Studium aufzubringen. Danach konnte er am Mathematischen Institut der Universität Wien als wissenschaftliche Hilfskraft erste Einblicke in den Forschungs- und Lehrbetrieb gewinnen und wertvolle Erfahrungen sammeln. Noch vor seiner Promotion wechselte er als Hochschulassistent an das Institut für Mathematik III der Technischen Hochschule Wien, wo er statische Berechnungen durchführte.
Die typographische Ähnlichkeit der Wörter Statik und Statistik – eine nicht unwitzige Verwechslung – führte Viktor Scheiber schließlich an die Medizinische Fakultät der Universität Wien (heute Medizinische Universität Wien). Dort suchte man damals einen Mathematiker für statistische Berechnungen. So begann er im Jahre 1967 seine Tätigkeit an der Computerstation der II. Medizinischen Klinik. In diese Zeit fällt auch der Beginn der wunderbaren und ergebnisreichen Zusammenarbeit mit Prof. Dr. F. X. Wohlzogen, der sich für statistische Eigenschaften sequentieller Testpläne interessierte. Viktor Scheibers weiterer beruflicher Weg war somit vorgezeichnet.
In das von F. X. Wohlzogen 1969 neu gegründete Institut für Medizinische Statistik und Dokumentation der Medizinischen Fakultät der Universität Wien trat Viktor Scheiber 1973 als Oberassistent ein, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1998 tätig war. Auf Grund der bereits bestehenden Zusammenarbeit konnte sich Viktor Scheiber im gleichen Jahr habilitieren. 1978 wurde ihm der Titel “außerordentlicher Professor” verliehen. Viktor Scheibers Wirken in der Gruppe um F. X. Wohlzogen war auch dadurch besonders wertvoll und erwähnenswert, weil er es verstand, mutige und innovative statistische Ideen und Visionen zu filtern und in mathematische Konzepte überzuführen. Von Ärzten und Medizinern wurde er sehr geschätzt. Eine Fülle von Publikationen belegt die intensive und umfangreiche Zusammenarbeit.
Als besondere Anerkennung und Auszeichnung erhielt Viktor Scheiber 1982 den Theodor-Billroth-Preis der Ärztekammer für Wien.
Viktor Scheiber war ein äußerst hilfsbereiter, liebenswerter und bescheidener Kollege. Junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit noch wenig Erfahrung im biometrischen Alltag hat er geduldig, effizient und oft humorvoll begleitet und zur medizinischen Statistik hingeführt. Mit großer Dankbarkeit denke ich selbst an meine erste Zeit am Institut zurück, an die spannenden Gespräche und Anregungen. Ebenso war ihm das Abhalten von Lehrveranstaltungen ein Anliegen verbunden mit der großen Herausforderung, die formalen Konzepte der Statistik für Mediziner verständlich aufzubereiten. Viktor Scheiber ist auch Koautor von Lehrbüchern.
In den Jahren 1984 und 1985 war er Präsident der ROeS. Unter seiner Präsidentschaft fand das ROeS-Seminar in Graz statt. Nach der Pensionierung vn F. X. Wohlzogen leitete Viktor Scheiber das Institut von 1986 bis 1993 interimistisch.
Im Jahre 1998 trat er in den Ruhestand und konnte sich seiner Leidenschaft, der Musik, intensiv widmen. In der ersten Zeit nach seiner Pensionierung besuchte er noch oft das Institut und unterstützte uns mit seiner großen Erfahrung. Mit Viktor Scheiber haben wir nicht nur einen wissenschaftlich profunden, gebildeten, bescheidenen und hilfsbereiten Kollegen verloren, sondern vor allem einen lieben Menschen.
Barbara Schneider,
Institut für Medizinische Statistik am Zentrum für Medizinische Statistik, Informatik und Intelligente Systeme, Medizinische Universität Wien